Von der Maria Waldrast über die Seles ins Stubai

Serles Ostgrat im Winter

Ein milder und weitgehend schneearmer Frühwinter ergibt zu Beginn 2023 ganz passable Verhältnisse zum Winterbergsteigen. Nicht jedermanns Sache, doch für uns Locals die Gelegenheit, unseren Hausberg - die Serles - bei winterlichen Bedingungen über den Ostgrat zu besteigen. Es ist dies nicht nur eine sehr außergewöhnliche und schöne Tour, sie bietet auch die Möglichkeit einer Überschreitung von der Maria Waldrast ins Stubai. Auf dem Weg begleiten uns ein paar Dohlen, Sonnenschein und einige Schneeflocken, sonst niemand. Was erwartet uns zusätzlich? Bergsteigen in Reinform mit Fels- und Schneepassagen, brüchiger Fels und der Blick in einen interessanten und wenig begangenen Teilbereich des Serleskamms.

08. Jänner 2023

Wir beginnen zeitig. Ein Wetterumbruch ist angekündigt und vermutlich ist heute der letzte Tag vor dem Neuschneefall, an dem die Tour noch geht. Wir packen die Rucksäcke an der Maria Waldrast und stapfen dem Sommerweg entlang Richtung Serlesjöchl. Für den Zustieg wählen wir eine Rinne, die direkt zum Ostgrat der Waldrasterspitze führt - für uns heute die beste Möglichkeit vorwärts zu kommen.

In einem Murgraben geht's vom Wald hinauf zu mehr Fels.

Früh aufzubrechen hat mehrere Vorteile: Zum einen wissen wir nicht ganz genau, wie die Bedingungen zum Stapfen im Schnee sind und kalkulieren deshalb mit mehr Zeit, zum anderen erlebt man die ersten Stunden des Tags am Berg - und alle die das einmal erlebt haben können bestätigen, dass dies ein besonderer Moment ist. Wir schauen nach oben und hinter uns. Im Osten zeichnen sich die Silhouetten der Berge immer deutlicher ab, vom zartrosa Morgenhimmel.

Blick zum Tuxer Hauptkamm mit Olperer, Fußstein und Schrammacher.

Die Bedingungen in der Rinne sind gut. Wenig Wühlerei und teilweise sogar perfekter Harsch zum Stapfen. Steigeisen benötigen wir vorerst keine. Die Stirnlampe kommt in den Rucksack und in absehbarer Zeit ist Sonne zu erwarten.

Aufstieg in der Rinne zum Ostgrat der Waldrasterspitze.
Ein schöner Übergang von Schatten zu Licht. Mittlerweile bereits etwas höher und mit Steigeisen.

Ein kleiner Sattel ist erreicht und diesen kennen wir noch gut von unserer letzten gemeinsamen Tour hier, vor etwa einem Jahr. Damals stiegen wir in einer Verschneidung rechts weiter auf, und erreichten so das darüberliegende Band. Heute halten wir uns weiter links und wählen den einfacheren Weg. Das Gelände der Tour entspricht in vielen Bereichen keinem Grat, sondern kombiniertem Gelände mit steilen Felsaufschwüngen und trennenden Rinnen und Schluchten. Es gilt vorausschauend zu klettern, um nicht durch Umwege unnötig Zeit und Energie zu verschwenden.

Ein gutes Beispielbild für das Gelände an der Waldrasterspitze. Durch die sichtbare Rinne gelangt man höher.

Nach etwas kombiniertem Gelände erreichen wir Schneegelände. Erst noch Rücken und mittelsteile Flanken, danach Gratgelände. Wir sind noch nicht einmal auf 2.300 m Seehöhe und die Kulisse gleicht jener einer hochalpinen Tour. Im Winter Bergzusteigen ist eine tolle Vorbereitung für große Touren im Sommer.

Am Ostgrat der Waldrasterspitze.
Unterhalb liegt Maria Waldrast, ein bekannter Wallfahrtsort mit Kirche aus dem 15. Jahrhundert. Dort liegt der Ausgangspunkt, dort wollen wir auch wieder zurück.

Der Grat bricht an einem Vorgipfel der Waldrasterspitze ab. Wir seilen von einem eingerichteten Standplatz ab und freuen uns darüber, die richtige Länge des Seils gewählt zu haben. 30 Meter erweisen sich für den ganzen Tag als ausreichend. Backup bildet eine dünne 30m Abseilleine, die sich leichtgewichtig im Rucksack befindet.

Durch Abseilen gelangt man an diesem Punkt in die darunterliegende Scharte.
Rauf, runter, quer.

Nach einer letzten Steilstufe ist die Waldrasterspitze erreicht. Auf sie führt im Sommer eine sehr ursprüngliche und reizvolle Route. Allerdings ist das Gelände felsig und steil. Man sollte trittsicher, schwindelfrei und in der Lage sein, mit den alpinen Gefahren richtig umzugehen.

Die letzten Meter am Grat zur Waldrasterspitze.
Die Föhnwalze schiebt sich immer weiter über den Hauptkamm. Hier im Bereich der Tribulaune.
Waldrasterspitze (2.442 m). Im Hintergrund die Serles (2.718 m) und ein Blick auf den weiteren Verlauf des Ostgrats.

Vom Gipfel der Waldrasterspitze steigen wir etwas ab. Auch hier gibt es mehrere Möglichkeiten. In kurzer Zeit erreicht man eine markante Scharte, die auch Startpunkt einer großartigen Skiabfahrt ist. Es läuft gut, wir kommen rasch voran und freuen uns über die guten Bedingungen.

Weiterer Übergang am Grat.
Zwischen Felstürmchen verläuft die von uns gewählte Route zurück zum Grat.
Nicht immer geht es aufwärts. Ein kurzer, steiler Abstieg führt in flacheres Gelände und zum Übergang in die nächste Scharte.

Hunger. Wir legen einen Zwischenstopp ein und essen etwas. Es kommt etwas Wind auf und wir stellen uns auf einen eher windigen Gipfelanstieg ein. An diesem Ort standen wir bereits mehrmals, und jedesmal war es ein tolles Erlebnis. Diese Tour führt uns vor Augen, wie nahe sich Schönes befindet. Wie wenig weit wir reisen müssen um einzigartige Touren zu machen. Mit der Initiative "Stubaier Bergführer" orientieren wir uns an den Möglichkeiten für Bergsport in den Stubaier Alpen. Es ist unsere Heimat und sie bietet uns Großartiges.

Die Seilschaft. Die wievielte gemeinsame Tour ist das?...

Wir gehen die Route auch um uns weiterzuentwickeln. Der Ostgrat der Serles ist im Sommer eine wunderbare Tour und sie wird 2023 Teil unseres Sommerprogramms sein. Wir kommen hier her, um unsere Routenkenntnisse zu verbessern, und das bringt die Möglichkeit, den Facettenreichtum und die Schönheit der Gegend aufzuzeigen. Die buchbare Führung ist somit Teil unserer Bergsteigergeschichte. Kein Wunder, dass Bergführen daheim besonders Spaß macht :-)

Erster Aufschwung nach der Scharte.

Nach Verlassen der Scharte klettert man an der Serles. Das Gelände ist kombiniert und verlangt nach Sicherung. Der Fels ist nicht immer ganz fest, doch irgendwie macht es das reizvoll. Im Winter verwendet man Steigeisen, im Sommer reichen Approachschuhe oder leichte Bergschuhe. Wir haben ein Grundsortiment mobiler Sicherungsmittel mit und können dieses immer wieder gut einsetzen.

Nur selten trifft man auf einzelne Felshaken.
Nächstes Zwischenziel ist das markante U-förmige Felsentor über uns. Der Aufstieg ist direkt oder in einer Umgehung links möglich.

Wir stapfen in einem etwas flacheren Bereich durch den Schnee höher und betrachten das vor uns liegende Gelände. Es gibt Passagen, die wirken einfacher als sie sind und es gibt welche, die gartig aussehen und unerwartet angenehm nach oben führen. Ein gut 50 m hoher Felsaufschwung bildet die Schlüsselstelle der Tour. Oberhalb wird's deutlich flacher und das Gipfelkreuz der Serles lugt um die Ecke.

Wir gehen weite Strecken am laufenden Seil, nehmen dieses zwischenzeitlich auf und verwenden es zur Sicherung in steilen Abschnitten.
Das ist so eine Stelle, die von unten einfacher aussieht. Schwierig macht's weniger die Kletterei, sondern Kalk, der behutsam angepackt werden will.
Im Sommer bummelt hier die ein oder andere Gämse herum.
Im letzten Teil des Aufschwungs.
Durch eine kleine Rinne gelangt man zurück auf den Grat.
Das ist so eine Stelle, die schwieriger aussieht als sie ist.
Gute Bedingungen auch im Gipfelbereich.
Serles (2.718 m) - Stubai7Summit.

Am Gipfel rasten wir und beobachten wie die Föhnwalze zusammenbricht. Der befürchtete Wind blieb bisher aus, doch nun wird's zunehmend windiger und kälter. Unser Weiterweg führt zum Sonnenstein. Wir blicken zu ihm hinab und geben Tipps ab, wie lange wir dahin wohl brauchen werden. Am Gipfel sind einige Spuren zu sehen. Die Profilabdrücke lassen erahnen, dass auch über den Normalweg derzeit mehr ohne, als mit Ski aufgestiegen wird. Es ist aber auch ein schneearmer Winter!

Blick zum Sonnenstein (2.441 m). Dahinter Kalkkögel, Saile, das Innsbrucker Becken, die Nordkette und der Patscherkofel.
Der Übergang von der Serles führt über das "Marmorspitzl". Dass hier früher Marmor abgebaut wurde ist ein Mythos. Der Name stammt vom hellen Fels am höchsten Punkt dieser Graterhebung.
Der Sonnenstein ist ein wilder und ursprünglicher Gipfel. Er wird selbst im Sommer wenig besucht.

Wir erreichen den Sonnenstein und stellen uns die Frage, welchses nun der beste Abstieg ist. Eigentlich wollten wir über die Ostrinne ins Echo absteigen, doch eine Querung im oberen Teil dieser Route gefällt uns nicht und somit beschließen wir über den Normalweg ins Stubai abzusteigen. Mittlerweile schneit es leicht. Wir sind sehr glücklich darüber, ein derartig schönes Bergerlebnis zu gewinnen.

Sonnenstein (2.441 m).
Blick in die Nordseite des Berges. Dort liegt mehr Schnee als auf der bisherigen Route. Vor allem auch unausweichliche Abschnitte über Felswänden.
Im Abstieg an der Hohen Wand bessert sich das Wetter kurz. Perfekte Stimmung für den letzten Abschnitt der Tour.

Nun, was nimmt man mit von so einer Tour? Sehr viele Eindrücke, neue Ideen, Antworten auf Fragen, seelisches Wohlbefinden, zufriedenes Müdesein. Winterbergsteigen vor der Haustür bringt uns viel. Wir sind nicht nur geklettert, wir hatten Zeit - ohne Ablenkung und unmittelbar - uns mit Gedanken und Ideen zu beschäftigen. Wann hat man dazu mal so viele Stunden Gelegenheit?

Wenn Sie denken, die Serles sollte auch einmal von Ihnen Besuch erhalten, schauen Sie in unser Sommerprogramm. Als Stubai7Summit ist die Serles eines unserer Hauptziele. Im Winter gehen wir sie meist als Skitour, auch das ist eine tolle Sache. Wer die Serles jedoch von einer ganz besonderen Seite erleben möchte, sollte sich den Ostgrat vornehmen - vielleicht zum Sonnenaufgang im Sommer. Und vielleicht ja auch mit uns?

Bilder: Hannes Mair, Matthias Knaus

Bild Verfasser

Verfasst von

Matthias Knaus

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