Einmal Italien und zurück

Müllerhütte & Wilder Freiger

Der Grenzgang am Stubaier Hauptkamm von der Sulzenauhütte über den Wilden Freiger zur Müllerhütte ist eine umfassende Hochtour. Über weite Strecken weglos, steigt man auf Gletschereis und über Blockgrate höher, bis zum Gipfel des Wilden Freiger. Jenseits, auf der italienischen Seite, liegt die Müllerhütte, ein kleiner und sehr feiner Stützpunkt am Rand des Übeltalferners. Ein Co-Guiding mit Freund und Bergführerkollegen Florian Kirchberger brachte uns Anfang August dorthin.

6. August 2022

Bereits im Februar erhielten wir die Anfrage von Flori, ihn im Sommer mit einer Gruppe am Stubaier Hauptkamm zu begleiten. Das vorgeschlagene Programm war vielversprechend - von der Sulzenauhütte über den Wilden Freiger zur Müllerhütte soll's gehen, anschließend über den Wilden Pfaff zum Stubaier Gletscher. In diesem Gebiet sind wir oft unterwegs, meistens im Zuge der Stubaier Spaghettitour oder bei einem Besuch am Becherhaus.

Nun, wie das so ist bei frühen Buchungen - man weiß nie, wie die Bedingungen zum festgelegten Termin sind. Anpassungsfähigkeit und Erfahrung sind essenziell um das Beste zu erlangen, mitunter deshalb schätzen Kunden unsere Dienste. Sorgenfalten entstehen erst einmal keine, es ist 2. August und wir starten bei schönstem Hochdruckwetter zur Sulzenauhütte.

Die Hütte liegt auf 2.191 m Seehöhe und ist ein beliebter Stützpunkt für Bergsteiger und Wanderer. Unsere Gruppe ist bereits dort, denn seit einigen Tagen ist sie am Stubaier Höhenweg unterwegs. Der Abstecher zur Müllerhütte über den Wilden Freiger ist eine von ihnen gewählte Alpinvariante im Zuge ihrer mehrtägigen Wanderung. Nach dem Kennenlernen vergeben wir die notwendige Ausrüstung und genießen den sonnigen Nachmittag im Nahbereich der Hütte.

Die schön gelegene Sulzenauhütte. Seit vielen Jahren ein wertvoller Stützpunkt für uns.
Die Hütte liegt am Stubaier Höhenweg. Im Hintergrund erkennt man die Mairspitze und das Niederl - beides Übergänge zur Nürnberger Hütte.
Es ist schön hier rumzusitzen und zu schauen. Moränen zeugen von einstigen Gletscherständen. Das Eis des Sulzenauferners hat sich weit zurückgezogen.
Jeder erhält Helm, Gurt, Steigeisen und einen Sicherungskarabiner. Alles wird angepasst, um am kommenden Tag gut vorbereitet zu sein.

Susanne, die freundliche Wirtin der Sulzenauhütte, ermöglicht uns ein zeitiges Frühstück und gerade als wir die Blaue Lacke erreichen, scheint uns die Sonne von Osten in die freudigen Gesichter. Der Anstieg zur Fernerstube ist teilweise steil, doch mit derartig schönem Ausblick fällt die Sache leichter. Am Gletscher angelangt, packen wir die Steigeisen aus und bereiten uns auf den Anstieg zur Lübecker Scharte vor. Das Eis strahlt eine angenehme Kühle aus und knirscht bei jedem Schritt. In einem lang gezogenen Bogen, vorbei an einigen Gletscherspalten, erreichen wir erneut den Fels.

Im ersten Sonnenlicht erfolgt der Aufstieg zur Blauen Lacke.
Flori hält den Augenblick fest.
Es ist steil und bereits warm. Dennoch ein wunderbarer Weg, der von der Blauen Lacke in die Fernerstube führt.
Über die Moräne aus dem Jahr 1850.
Hier wird's deutlich kühler. Der markierte Weg verläuft weiter links. Wir betreten das Eis an dieser Stelle - was jedem nur empfohlen werden kann.
Von "gut vorbereitet" war die Rede. Jeder befestigt die Steigeisen selbstständig und mit entsprechender Kenntnis.
Voilà!
Auf dem aperen Gletscher kommt man gut vorwärts. Wir gehen in einer Seilschaft um Sicherheitsgefühl zu vermitteln und um in Bereichen mit Gletscherspalten entsprechend agieren zu können.
Hier sind sie, die ersten Spalten.
In einem großen Linksbogen gelangt man vom unteren Gletscherbecken in das obere.
Der Weg ist keinesfalls eintönig. Der Blick fällt auf viele kleine Details.
Eine letzte Gletscherspalte, und wir erreichen die Lübecker Scharte.

Von der Lübecker Scharte führt der gleichnamige Weg weiter, hinauf zum felsigen SW-Grat des Wilden Freiger. Auf den ersten Blick erscheint das Gelände schwierig, doch die meisten Passagen sind gut begehbar und nur wenige Male kommen die Hände zum Einsatz. Nach einer steilen Felsstufe am Beginn geht's im Blockgelände aufwärts. Die eben noch begangene Fernerstube liegt unter einem und rundum wird das Panorama immer weiter. Wir blicken zum Wilden Pfaff - auf ihn soll uns die Tour morgen führen. An einem Wegweiser ist der Übergang zum Übeltalferner erreicht. Von hier könnte man zu Becherhaus oder Müllerhütte absteigen. Wir bleiben jedoch auf Gipfelkurs und erreichen nach insgesamt fünfeinhalb Stunden den Gipfel des Wilden Freiger.

Die steile Felsstufe am Beginn des Lübecker Wegs.
Erster freier Blick nach Norden.
Sonklarspitze (links) und Wilder Pfaff (rechts). Auf Zweiteren soll es morgen gehen.
Der erste Blick nach Süden, über das weite Gletscherbecken des Übeltalferners.
Flori kennt die meisten Berge hier sehr gut. Seit vielen Jahren ist er regelmäßig in den Stubaier Alpen unterwegs.
Der obere Teil des Lübecker Wegs weist guten Fels auf und die Kletterei im Blockgelände lenkt etwas von den Anstiegsmühen ab.
Es gilt ein paar luftige Stellen zu überwinden. An den schwersten Passagen helfen Stahlseile und Eisenklammern.
Bereits in Gipfelnähe. Es gibt derartig viel zu sehen, dass man öfters stehen bleibt um alles aufzunehmen.
3.418 m - Wilder Freiger. Der Stubai7Summit ist für einige neuer Höhenrekord.

Vom Hauptgipfel gelangt man über den einfachen Verbindungsgrat zum Signalgipfel mit Wetterstation. Der S-Grat dessen ist steil, doch die erst kürzlich ausgetauschten Stahlseile helfen dabei, zügig und ohne Schwierigkeiten zum Becherhaus zu gelangen. Dort angekommen verlangt das nun doch gesunkene Energielevel nach einer Stärkung. Wir sitzen auf der aussichtsreichen Terrasse und speisen mit Blick auf Gletscher und Dreitausender.

Abstieg über den S-Grat des Wilden Freiger. Man erkennt bereits das Becherhaus am Gipfel des Becher (3.195 m).
Über riesige Steinstufen (Bergsteiger im Bild rechts) gelangt man zur Hütte. Unterhalb der Übeltalferner. Zur Müllerhütte (Suchbild!) gelangt man von hier in etwa in einer Stunde.
Hier oben schmeckt alles sehr gut. Wir stärken uns mit Suppe, Kaiserschmarrn und Getränken.

Das Becherhaus liegt bereits in Italien und guter, italienischer Kaffee ist es, der einem beim letzten Übergang hilft. Wir steigen hinab auf den Gletscher und queren flach zur etwa 1 km weiter westlich gelegenen Müllerhütte. Die Pause war wichtig, denn nun können wir mit genügend Energie auch diesen letzten Abschnitt des heutigen Tages genießen.

Im Abstieg vom Becherhaus zum Übeltalferner.
Auch hier wurden die Stahlseile ausgewechselt.
Sehr klein fühlt man sich in dieser großen Arena. Der an sich problemlose Übergang ist mit Torstangen markiert. Früher hatten Bergsteiger bei schlechter Sicht hier oft Orientierungsprobleme. Die Signalglocke am Becherhaus zeugt davon und half in solchen Fällen.
Ankunft. Jeder ist froh, diese lange und doch sehr anstrengende Etappe bewältigt zu haben.
Auf der Terrasse lauert Hüttenwirt Thomas mit einem leckeren Ingwer-Apfel-Schnaps.
Über dem Gletscher sitzend, lassen wir den Tag gemütlich ausklingen.
Bergführergespräche. Christoph (rechts), ein weiterer "Stubaier Bergführer" verbringt mit seiner Gruppe mehrere Tage auf der Müllerhütte.
Wir blicken ein letztes Mal die Runde und begeben uns anschließend ins Innere der gemütlichen Hütte. Heidi, die Hüttenwirtin, kocht leckeres Abendessen und die meisten von uns liegen bereits vor Hüttenruhe im Bett.

Der Morgen auf der Müllerhütte ist immer etwas ganz Besonderes. Beim Wachwerden blickt man aus dem Fenster und betrachtet die umliegenden Berge im ersten Licht. Wenig später sitzt man in der Gaststube und nimmt ein leckeres Frühstück ein. Noch etwas später tritt man nach draußen und streckt sich auf der Terrasse im Sonnenlicht. Schöner könnte ein Tag in den Bergen nicht beginnen. Wir teilen uns in zwei Gruppen. Ein Team steigt zum Wilden Pfaff auf, das zweite verweilt auf der Hütte. Beide Optionen sind schön - welchem Team würden Sie sich anschließen?

Morgenstimmung um Botzer und Übeltalferner.
Der Wilde Freiger durchs Hüttenfenster. Auf ihn führt unser letzter großer Übergang.
Heidi und Thomas setzen auf Selbstgemachtes und regionale Produkte ohne Geschmacksverstärker. Das Frühstück ist sehr sehr lecker.
Keine Wolke am Himmel. Noch nicht.
Inmitten einer wilden und ursprünglichen Hochgebirgslandschaft liegt die Müllerhütte auf 3.145 m Seehöhe.
Team "Wilder Pfaff" macht sich bereit.
Vom Hausschlapfen in den Bergschuh.
Anmerkung in eigener Sache: So schön dieser Morgen auch ist, ich bin nicht unglücklich darüber, im Team "Müllerhütte" zu sein. Danke Flori :-)
Am Ostgrat zum Wilden Pfaff. Weit und breit keine anderen Bergsteiger.
In etwa eineinhalb Stunden ist der Gipfel erreicht. Windstille und Sonnenschein tragen neben völliger Einsamkeit dazu bei, dass dieser Moment noch lange in Erinnerung bleibt.
Um 10 Uhr sitzen wir wieder beisammen. Ein absoluter Genussmoment ist unser Brunch vor dem Aufbruch.

Wir verabschieden uns von diesem wunderbaren Ort und begeben uns wieder auf Tour. Der Weg zur Sulzenauhütte ist weit und etliche Stunden werden vergehen, bis wir erneut die Rucksäcke ablegen und unser letztes gemeinsames Etappenziel erreicht haben. Der Aufstieg zum Wilden Freiger verläuft ähnlich wie der Abstieg am Vortag. Um die Mittagszeit erreichen wir den Signalgipfel, von dem aus wir direkt zur Seescharte absteigen.

Erneut werden die Steigeisen benützt, um das Gehen am Gletscher zu erleichtern.
Trotz guter Akklimatisierung ist der Aufstieg fordernd. Schritt für Schritt gelangen wir in gemütlichem Tempo näher an den Fels.
Noch einmal sehen wir das Becherhaus in unmittelbarer Nähe.
Im Aufstieg am felsigen S-Grat.
Die letzten Meter am Signalgipfel.
Der stark ausgeaperte Wilde Freiger mit einem erst wenige Jahre alten See.
Der Abstieg über den Normalweg beinhaltet einige mit Stahlseilen versicherte Passagen.
Ein schmales Felsgratl fordert Trittsicherheit und Konzentration. Jeder der Teilnehmer hat in den vergangenen zwei Tagen viel dazu gelernt.
Das andere Gruppenbild.
Nicht schwierig aber etwas mühsam. Wegloses Blockgelände ist etwas, das die wenigsten Wanderer kennen. Man spürt die Anstrengung vor allem im Kopf.
Immer wieder scheift der Blick in die Ferne, so wie hier, zu den Feuersteinen über dem Freiger See.
Die Rast oberhalb der Seescharte, bevor ein steiler Abstieg zum Grünausee führt.
Über 1.200 Höhenmeter sind im Abstieg zur Sulzenauhütte zu bewältigen. Anstrengend ist dieser Weg jedes Mal, aber auch schön.
Wie ein riesiger, blauer Pfeil weist der Grünausee den Weg zur bereits sichtbaren Sulzenauhütte.
Bergidylle pur.
Ein letzter, steiler Anstieg auf den Rücken einer Moräne und wir haben es bald geschafft. Gedanken an Schnitzel, ein kühles Bier oder das Ausziehen der Schuhe stimulieren.
In diesem letzten Teilstück geht's verhältnismäßig ruhig zu in unserer Gruppe. Wohl jeder ist müde und in Gedanken versunken.
Umso geselliger ist dieser Augenblick.

Die Ankunft auf der Sulzenauhütte ist ein schöner Moment. Die Zeit im hochalpinen Raum fühlt sich meist länger an als in Höhen unterhalb. Man verlässt für eine Zeit lang den gewohnten Farbraum und begnügt sich im wesentlichen mit Blau, Weiss und Grau. Das Wiedereintauchen in grüne Bergwiesen und der Schutz der gemütlichen Hütte sind bestimmende Faktoren für unser Wohlbefinden. Glückshormone sind definitiv auch vorhanden, denn diesen Augenblick haben wir uns selbst geschaffen, durch Überwindung und Anstrengung, vor allem auch durch Zusammenhalt. Die Gruppe hat gut geplant - der folgende Tag dient einzig und allein der Rast und dem Genuss, bevor der Weiterweg zur Dresdner Hütte folgt. Wir Bergführer halten eine Auszeichnung in Händen und begeben uns wieder ins Tal.

Kleine Erinnerung an eine wunderbare Hochtour mit einer sehr freundlichen Gruppe. Danke!

Wir sind als lokale Bergführer ein idealer Partner für Gastbergführer. Im Zuge dieser Tour konnten wir einmal mehr erleben, wie angenehm und entspannt Co-Guiding sein kann.

Bild Verfasser

Verfasst von

Matthias Knaus

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